Zerstreuung. Frau B.:
Sie ist schwer nervös, vielmehr sie ist neurotisch, sie hat Angstträume von Verlusten aller Art, Verlust der Flugkarte, Verlust der Geldtasche, Verlust des Autos, des Ehemannes, der Kinder...Praktisch verliert sie nichts, sie träumt es nur, aber diese Träume verderben ihr Tagleben. Der Arzt sagt ihr, sie solle sich Zerstreuung verschaffen, reisen, viel und weit reisen, in Gesellschaft gehen...
Nein, sage ich, Frau B. , Sie sollen sich nicht zerstreuen, Ihre Krankheit besteht ja eben darin, daß Sie zerstreut sind. Ich meine nicht vergeßlich und unkonzentriert, Sie selbst sind zer-streut, Sie zerfallen in Teile, die keinen Zusammenhalt haben.
Ihre Persönlichkeit fällt auseinander. Ihre Träume verraten Ihre Furcht vor dem Verlust Iher Persönlichkeit.
Ziehen Sie sich (Sie sind ja katholisch) in ein "Kloster auf Zeit" zurück. Ertragen Sie die Stille und die Begegnung mit ihrem eigenen wirklichen Selbst. Das wird zunächst schwierig sein. Ein Psychotherapeut wäre hilfreich, wenn es ein guter ist. Aber auch ohne so einen können Sie`s schaffen. Ich rede aus eigener Erfahrung.
(Luise Rinser, die Gute...1990)
raumschots - 31. Mai, 21:33
Aus ihrem Tagebuch, 9. November 1989:
Die Berliner Mauer fällt. Ich hätte mir die Sache dramatisch-spektakulärer gewünscht, durch Dynamitsprengungen etwa zu Wagners >Götterdämmerung<-Musik. Ich habe zu lange auf diese Stunde gewartet, als daß sie mich überraschen könnte. Seit der Jugend-Demonstration bei meiner Lesung in Weimar im Januar war mir klar:
jetzt ist`s eine Frage der Zeit; der kurzen Zeit.
Zehn Monate. Jetzt also. Ich habe mir seit Jahren gewünscht, dabeizusein und einen Stein aus der Schandmauer zu schlagen. Jetzt sehe ich aus 2000 km Entfernung, wie andere es tun und wie junge Leute auf die Todesmauer klettern und wie Tausende sich in die Arme fallen. Ein Freudenfest.
Natürlich treibt das Ereignis auch mir Tränen in die Augen. Freudentränen, ja.
Aber. Aber?
Kann ich etwas dafür, wenn mir die Toten einfallen, die da in der Bernauer Straße von den Vopos erschossen wurden, weil sie in den Westen flüchten wollten?
Kann ich was dafür, daß mir bei "Wiedervereinigung" das zugehörige Wort "Groß-Deutschland" einfällt, Hitlers Wort, und dazu "Deutschland über alles", Deutschland, das 80-Millionen-Volk von Tüchtigen, das Zentrum Europas, das zwar nie mehr einen Krieg gebären wird, aber mächtig genug ist, wirtschaftlichen Druck auszuüben.
Die große Euphorie vom 9. November, sie hält bei mir nicht vor. Das Friedensfest ist ein Traum. Die Tränen, die ich in der Nacht darauf weine, sind bitter: was kommt da auf uns zu? Was für unlösbare Probleme.
Ich habe das quälende Gefühl, daß das alles schiefläuft. Unaufhaltsam.
raumschots - 31. Mai, 21:29
Meine Freundin Luise Rinser..in memoriam...zum Super-Wahljahr...
Tagebuch vom 2. Dezember 1989:
Die erste gesamtdeutsche Wahl. Jetzt, am Morgen, ist das Ergebnis vorauszusagen. Ich blättere zurück im "Kulturfahrplan" - 1949:
CDU 139 Sitze,
SPD 131,
FDP 52,
KPD 15
und die kleinen Splitterparteien.
Regierungskoalition CDU, FDP und DP. (Wer war das eigentlich?) Offizielle Opposition SPD mit Kurt Schumacher. Adenauer Bundeskanzler.
Im Osten (DDR, schon damals so genannt) wird Wilhelm Pieck, KP, Präsident, und Grotewohl bildet eine ostdeutsche Regierung aus allen Parteien und Massenorganisationen.
1950 (das haben wir vergessen) wollte Westdeutschland gesamtdeutsche freie Wahlen, 1951 (das haben wir verdrängt) macht Grotewohl seinerseits den Vorschlag zu gesamtdeutschen Beratungen und Wahlen.
1952 Vorschlag der DDR-Volkskammer zur Wiedervereinigung; der Westen lehnt ab.
Konsequenz: 16.000 Ostdeutsche flüchten in den Westen; Telefonverbindung zwischen Ost und West unterbrochen. 1952 wollen Gustav Heinemann, Helene Wesse und Hans Bodensteiner (alle drei in der CDU) Wiederveinigung durch Neutralisierung; sie finden keinen Anhang, treten zur SPD über.
Verpaßte Gelegenheit; warum haben wir nicht eine neue "LInke" gegründet? Warum überlassen wir unser Land den Mitte-Rechten, den Spießern, die ( begreiflich) keine neuen Unruhen wollen, sondern Ruhe, nichts als Ruhe, eine Ruhe, in der man ungestört Geld verdienen kann. Geldschrank-Ruhe, Grabesruhe. Das mögliche Neue: verspielt, verspielt.
raumschots - 31. Mai, 21:25
In Deutschland wird über Werte geredet...mal wieder!
Ein Beitrag dazu:
Es gibt Werte, die nicht korrumpiert werden dürfen...
- Treue
- Zivilcourage
- Menschenliebe
- Friedfertigkeit
- Vertrauen
- auch Reinheit im weiteren Sinne
raumschots - 31. Mai, 06:56
Na bitte, es geht los...sie haben es geschafft, durch die HIntertüre Kinderporno, wird es endlich möglich, das internet zu zensieren:
"...Family Online Safety Institute (Fosi) offenbar „aufgrund bestimmter Wortverknüpfungen“ den „Extrem-Bereichen der Erotik, Gewalt und Politik“..."
An dieser Stelle sollte man die Verbindung von "Extrem"-Bereich Gewalt und Erotik zu Politik achten...
Da diese Worte jetzt auch hier geschrieben sind, wird dieser blog folglich auch zensiert...toll!
raumschots - 31. Mai, 06:52